Nach coronabedingten Jahren, in denen der traditionelle Neujahrsempfang nicht stattfinden konnte, hatten Stadt Rennerod und Bundeswehr dieses Jahr zum 9. März in die Westerwaldhalle geladen.
Mehr als 250 meist hochrangige Soldatinnen und Soldaten waren dieser Einladung ebenso gefolgt wie ca. 140 geladene Gäste aus Politik, Wirtschaft, Vereinen und Hilfsorganisationen/Feuerwehren, darunter auch die Kreisbeigeordnete Gabriele Wieland und Generalarzt Dr. Bruno Most.
Waren die zurückliegenden Neujahrsempfänge immer ausschließlich vom guten Miteinander zwischen Soldatinnen/Soldaten und den Bürgern/Bürgerinnen der Stadt und Verbandsgemeinde getragen, so befand man sich diesmal in einer seit dem Ende des zweiten Weltkrieges in Deutschland noch nie dagewesenen Situation, dem nunmehr etwas mehr als ein Jahr andauernden Krieg durch Putins Aggression in der Ukraine.
Ein Krieg, der sowohl die Bundeswehr, aber auch alle Bürger/innen vor vielfältig neue und ungewohnte Situationen stellt.
In Grußworten wurde sowohl von Oberstarzt Dr. Sven Funke als Kommandeur des 2. Sanitätsregimentes Westerwald, wie auch vom Stadtbürgermeister Raimund Scharwat sehr intensiv auf das excellente Verhältnis der Renneroder Bürger/innen zu „ihrer“ Bundeswehr eingegangen, wurde das gute Miteinander von beiden Seiten ausdrücklich betont. Ein Miteinander, das in vielen Jahren zum Wohle Aller gewachsen ist und auf sehr festen Füßen steht.
Raimund Scharwat: „Vor 175 Jahren am 9. März 1848 wurde erstmals die schwarz-rot-goldene Flagge in der Bundesversammlung in der Frankfurter Paulskirche eingeweiht und heute treffen wir uns wieder unter diesen Farben und tragen -hoffentlich auch für die Zukunft- dazu bei, dass die Demokratie weiterlebt“. Raimund Scharwat dankte den Soldatinnen und Soldaten vehement, wies auf die zahlreichen Gelegenheiten hin, bei denen sich das hervorragende Zusammenspiel immer und immer wieder zeigt.
Dass die Demokratie und die damit verbundene Freiheit weiterleben möge, war auch ein Hauptanliegen in der fundierten, aber ebenso emotionalen Ansprache des Gastredners Oberst André Wüstner, seines Zeichens Vorsitzender des Bundeswehrverbandes.
André Wüstner, seit 1994 Soldat des Heeres, im Unterwesterwald lebend und im Verlauf seiner Laufbahn auch Dozent an der Bundeswehr-Akademie Koblenz, ist heute gerngesehener Gast und Experte in zahlreichen TV-Sendungen. Immer dann, wenn es um faktenbasierte, klare Darstellung geht, werden seine Worte hochgeschätzt.
In dem ausführlich die Gegebenheiten der Kriegssituation in der Ukraine, wie aber die aktuelle Situation der Bundeswehr beleuchtenden Beitrag zeichnete André Wüstner ein Bild, das für alle interessiert lauschenden Zuhörer und Zuhörerinnen zwischen den Zeilen eine große Vielfalt von Fragen aufwarf, die aufgrund der unkalkulierbaren Vorgehensweise des russischen Aggressors aktuell niemand auch nur ansatzweise beantworten kann.
Wüstner wies auf die zweifelsfrei notwendige Aufrüstung der Bundeswehr im Rahmen der NATO hin, machte aber auch deutlich, welch immense Zeitspanne vergehen wird, bis die aktuell angestrebten Ziele -zusammen mit der Industrie- erreicht werden können.
Ziele, die die Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses erhöhen sollen, gleichzeitig aber auch Gedanken anstoßen, was bis dahin geschieht, welche Überraschungen uns alle noch in nächster Zeit erwarten, Überraschungen, auf die wir möglicherweise nicht ausreichend antworten können.
„Die Dinge werden niemals mehr so sein, wie sie einmal waren, energiepolitisch, wirtschaftspolitisch und natürlich auch militärisch“, so Wüstner. Schon 2014 wies Bundespräsident Steinmeier darauf hin, dass „die Welt aus den Fugen geraten ist“ und diese Situation eskaliert seit etwas mehr als einem Jahr weiter. Dies, obwohl sowohl die NATO, wie aber auch das Weißbuch der Bundeswehr seit 2016 auf die schon zu diesem Zeitpunkt anstehende Gefahr hinwiesen, nur niemand im Kreis der Verantwortlichen es so sehen wollte.
Gehandelt wurde nicht, ganz nach der Prämisse „Es kann nicht sein, was nicht sein darf“ -so Wüstner.
Heute endlich hat man -auch unter Bundeskanzler Scholz und dem ausdrücklich von Wüstner gelobten Verteidigungsminister Pistorius- verstanden, dass das Motto „Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen“ der Situation zweifelsfrei angemessen ist.
Die eindringlichen und deutlichen Worte Worte von Oberst Wüstner schafften es, so manchen der Anwesenden aufzurütteln, nachdenklich zu machen. Die halbstündige, facettenreiche Ansprache an die fast 400 Gäste der Veranstaltung wurde mit langanhaltendem Applaus bedacht. Dies einerseits für das klare Aufzeigen der Realitäten, andererseits aber auch für die im Vortrag vermittelte Zuversicht, dass sich mit dem Begreifen der neuen Lage und entsprechender Verhaltensänderungen („Gemeinsam sind wir stark“) auch Hoffnung auftut.
Musikalisch umrahmte die Bläsergruppe des Heeresmusikkorps Koblenz die Veranstaltung, zum Abschluss des Empfanges spielte die vielköpfige Stadtkapelle Rennerod auf und begleitete die Gäste mit an den Anlass angepassten Melodien beim anschließenden Beisammensein mit Getränken und Häppchen.
Text und Fotos: HGH